Beschwerde der drei Naturschutzverbände erfolgreich!!!

Bauvorhaben in Pankow: Beschwerde erfolgreich – 5/23

23.02.2024 Pressemitteilung des OVG Berlin-Brandenburg

Die Beschwerde dreier Naturschutzverbände gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 5. Februar 2024 (VG 24 L 6/24) ist erfolgreich.

Das Bezirksamt Pankow hat mit Verfügung vom 10. Januar 2024 der Antragstellerin, einer Wohnungsbaugesellschaft, die Rodung von Bäumen und Sträuchern auf Grundstücken in Pankow erneut untersagt. Die Antragstellerin möchte dort zwischen bereits vorhandener Wohnbebauung zwei Neubauten errichten, die als Unterkünfte für Geflüchtete genutzt werden sollen. Der Antrag der Antragstellerin auf vorläufigen Rechtsschutz hatte vor dem Verwaltungsgericht Berlin Erfolg.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom heutigen Tage die erstinstanzliche Entscheidung geändert und den Antrag abgelehnt. Zwar erteilte das Bezirksamt zwischenzeitlich seine Zustimmung zu der Beseitigung der Bäume und sonstigen Vegetation, machte diese jedoch von der vorherigen Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen, insbesondere Pflanzungen von Bäumen, Gehölzen und Stauden etc, abhängig. Mit ihrer Beschwerde haben die Naturschutzverbände berechtigte Zweifel aufgezeigt, ob die festgelegten Ausgleichsmaßnahmen ausreichend sind. Außerdem hat der Senat an der planmäßigen Umsetzung der Maßnahmen vor der – für Ende Februar 2024 vorgesehenen – Beseitigung der Bäume und Sträucher durchgreifende Zweifel.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2024 – OVG 11 S 10/24 –

Einschätzung zum Urteil des OVG
1.
Das für die kurzfristig anstehende Rodung und Fällung letzte und entscheidende Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) wurde am späten  Freitagnachmittag entschieden (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2024 – OVG 11 S 10/24; Vorinstanz: VG 24 L 6/23). Das OVG hatte als abschließende Instanz über einen Antrag der Gesobau zu entscheiden, der sich gegen die 2. naturschutzrechtliche Untersagungsverfügung des Bezirksamt Pankow vom 10.1.2024 richtete*. 

Während in allen vorherigen Entscheidungen der Gerichte (Verwaltungsgericht und OVG) noch den Argumenten der Gesobau gefolgt worden war, sind die Richterinnen des 11. Senats des OVG* am Freitag mit ihrem Beschluss den Argumenten der drei Naturschutzverbände (BUND, BLN, Naturfreunde – BV) gefolgt! Insb. haben die Naturschutzverbände – laut OVG – aufgrund deren umfangreichen gutachterlichen Darstellungen und Stellungnahmen „berechtigte“ Zweifel aufgezeigt, ob die beabsichtigten Ausgleichsmaßnahmen ausreichend sind und (das ist ebenfalls entscheidend) die Richter*innen haben „durchgreifende“ Zweifel an der planmäßigen Umsetzung der Ausgleichsmaßnahmen vor Beseitigung der Bäume und sonstigen Vegetation. 

2.
Rechtstechnisch lehnte das OVG den Antrag der Gesobau auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die 2. naturschutzrechtliche Untersagungsverfügung des Bezirksamt Pankow vom 10.1.2024 ab (konkret: Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Untersagungsverfügung), so dass diese 2. Untersagungsverfügung weiter existent ist und weiter Wirkung entfaltet (konkret: insb. im Wege der sofortigen Vollziehbarkeit). Die 2. Untersagungsverfügung ist auch nie aufgehoben worden. 

Eine zeitlich danach erteilte Genehmigung des Bezirksamt Pankow vom 16.2.2024 ist zwar auch noch existent und entfaltet ebenfalls (parallele) Wirkung. Allerdings ist diese Genehmigung unter der Bedingung erteilt worden, dass Ausgleichsmaßnahmen vor der Beseitigung der Bäume und sonstigen Vegetation umgesetzt und vom Bezirksamt abgenommen worden sind (so hat das Bezirksamt lt. OVG Beschluss eingangs und auf Seite 3 seines Schreibens darauf hingewiesen, dass die – im Einzelnen dargestellten – CEF-Maßnahmen vor Beseitigung der Bäume/Vegetation umgesetzt und von der unteren Naturschutzbehörde abgenommen sein müssen).

Dass das nicht der Fall sein wird, ist explizit im OVG Beschluss dargestellt (so scheinen noch nicht einmal die Ersatzpflanzen und Ersatzbäume bestellt worden zu sein). Zudem hat das OVG festgestellt, dass von den Naturschutzverbänden „berechtigte“ Zweifel aufgezeigt worden sind, ob die beabsichtigten Ausgleichsmaßnahmen ausreichend sind. Insofern wird es wohl zu Nachbesserungen kommen müssen. In der Entscheidung  des OVG heißt es, dass mit den Ausgleichsmaßnahmen die aufgezeigten Zweifel am Funktionserhalt der betroffenen Lebensstätten nicht vollständig beseitigt seien, zudem teilweise jedenfalls der Sache nach erst mit erheblicher Zeitverzögerung wirksam werden können.

3.
Für die nächsten Tage sind wohl folgende Passagen im Beschluss des OVG entscheidend, da sie die 2. naturschutzrechtliche Untersagungsverfügung des Bezirksamt Pankow und dessen Vorgehen („wir hoffen, dass niemand offenen Rechtsbruch beabsichtigt“) unterstützen:

„Die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 2 i.V.m. § 44 Abs. 1 und 5 BNatSchG, von der auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, trägt die Untersagungsverfügung. Es besteht die konkrete Gefahr einer Verletzung des artenschutzrechtlichen Schädigungsverbots gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG, da die Antragstellerin Vegetation im Vorhabengebiet beseitigt hat und beseitigen will, ohne dass die im Schreiben des Antragsgegners vom 16.2.2024 vorgesehenen CEF-Maßnahmen umgesetzt und von der unteren Naturschutzbehörde abgenommen sind. Nach den vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführten Maßstäben ist der von § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BNatSchG vorausgesetzte Funktionserhalt nur dann gegeben, wenn für die mit ihren konkreten Lebensstätten betroffenen Individuen die von der betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätte wahrgenommene Funktion vollständig erhalten bleibt, indem entweder im räumlichen Zusammenhang weitere bzw. andere geeignete Fortpflanzungs- oder Ruhestätten zur Verfügung stehen oder durch funktionserhaltende (CEF-)Maßnahmen so rechtzeitig geschaffen werden, dass zwischen dem Erfolg der Maßnahme und dem vorgesehenen Eingriff keine zeitliche Lücke besteht (vgl. EA S. 14 mit Verweis u.a. auf Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 100. EL Januar 2023, BNatSchG, § 44 Rn. 55). Dies verkennt die Antragstellerin. 
(…)
Ungeachtet der Frage, ob die von den Beigeladenen dargelegten und vom Antragsgegner bestätigten Eingriffe – etwa das auf den Stock setzen von Sträuchern – CEF-Maßnahmen zuzuordnen ist, gefährden diese Maßnahmen die ökologische Funktion der vom Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten. Die isolierte Umsetzung von Teilen einzelner CEF-Maßnahmen ohne ökologische Baubegleitung (V7) gefährdet die Wirkung des Ausgleichskonzeptes, das auf das gesamte Ökosystem bezogen und Grundlage der Zustimmung des Antragsgegners vom 16.2.2024 ist. Dem entspricht es, dass der Antragsgegner mit Schreiben vom 21.2.2024 an die Antragstellerin den Hinweis erteilt hat, dass eine Beseitigung von Vegetationsstrukturen und Bäumen ohne vorherige Abstimmung, Umsetzung und Abnahme der CEF-Maßnahmen durch die untere Naturschutzbehörde die Verbotstatbestände erfüllt und strafbewehrt ist.“

Dies sollte eine gute Grundlage für die nächste Zeit sein, da damit klar sein sollte, dass weitere kurzfristige Eingriffe in die Vegetation des Areals aufgrund der geltenden 2. naturschutzrechtliche Untersagungsverfügung des Bezirksamt Pankow vom 10.1.2024 nicht stattfinden dürfen. Denn diese gilt bis zur Entscheidung über den Antrag der Gesobau auf Gewährung einer naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung. Und auch die zwischenzeitlich erteilte Genehmigung des Bezirksamt Pankow vom 16.2.2024 kann derzeit nicht als Grundlage für Eingriffe herangezogen werden. Diese Genehmigung ist unter der Bedingung erteilt worden, dass Ausgleichsmaßnahmen vor der Beseitigung der Bäume und sonstigen Vegetation umgesetzt und vom Bezirksamt abgenommen worden sind (s.o.). Dass das bis zum 29.2.2024 erfolgen wird, ist aufgrund der Feststellungen des OVG zum Sachverhalt nahezu unmöglich. Trotzdem bedarf es weiter erhöhter Aufmerksamkeit, zumindest erst einmal bis 1.3.2024. Die Tatsache übrigens, dass es am Donnerstag zu Eingriffen gekommen war, die erst von der Polizei gestoppt werden konnten, führte zu einer Zwischenverfügung des OVG gegen die Gesobau und wurde im Beschluss explizit erwähnt. Nämlich als Gefährdung der Wirkung des Ausgleichskonzeptes. Genauso, wie der Hinweis auf Verbotstatbestände und Strafbewehrung vom OVG in diesem Zusammenhang erwähnt wird.

4.
Parallel war kurzfristig ein weiteres Verfahren von den drei Naturschutzverbänden angestoßen worden, welches in 1. Instanz beim Verwaltungsgericht verloren wurde (Beschluss vom 22.2.2024 – VG 24 L 47/24). Dort hatten die drei Naturschutzverbände beantragt, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 18.10.2023 (VG 24 L 279/23) unter Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuändern und im Ergebnis jegliche Beseitigung von Bäumen und Sträuchern ohne artenschutzrechtliche Ausnahme und/oder Befreiung zu untersagen (entweder durch das Bezirksamt oder durch das Verwaltungsgericht). Das VG hielt die jetzt gestellten Anträge der drei Naturschutzverbände bereits für unzulässig, denn der Lebenssachverhalt habe sich zwischenzeitlich wiederholt maßgeblich geändert. Das Verfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Es ist noch Beschwerde zum OVG möglich. Es wird sich zeigen, ob dieses Verfahren noch „nötig“ ist. Denn derzeit ist durch die Entscheidung des OVG ja dieses Ziel wohl erreicht.

Anmerkungen: 

  • *Nur der Vollständigkeit halber: Die 1. Untersagungsverfügung vom 9.10.2023 war vom Verwaltungsgericht (VG) für offensichtlich rechtswidrig gehalten worden. Das OVG hatte diese Einschätzung des VG noch eine Woche vor ihrer jetzigen Entscheidung bestätigt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Februar 2024 – OVG 11 S 2/24; Vorinstanz: VG 24 L 305/23). Konkret mussten alle Instanzen die Sach- und Rechtslage nach den Grundsätzen des Eilrechtsschutzes prüfen. Das ist eine eingeschränktere Prüfung als in den sog. Hauptsacheverfahren. 
    **Achtung Verwechslungsgefahr: im OVG heißen die gerichtlichen Spruchkörper „Senate“ – nicht zu verwechseln mit dem „Senat von Berlin“.  

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