Artenschutz-Bescheid für Pankower Gesobau-Projekt rechtswidrig
14. 08.2025 Umweltverbände legen Widerspruch ein gegen Ausnahmegenehmigung wegen Verstoßes gegen Bundesnaturschutzgesetz
Gemeinsame Pressemitteilung vom 14. August
Gegen die Erteilung der artenschutzrechtlichen Ausnahme für das Bauvorhaben der Gesobau an der Ossietzkystraße/Kavalierstraße durch das Bezirksamt Pankow haben die Umweltverbände Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN), NaturFreunde Berlin und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND Berlin) Widerspruch eingelegt. Die Voraussetzungen der Erteilung einer artenschutzrechtlichen Ausnahme liegen nicht vor. Der Bescheid verstößt gegen das Bundesnaturschutzgesetz.
Beanstandungen
Die Artenschutzbelange sind fehlerhaft ermittelt worden, da aktuelle Daten über Vogel- und Fledermauspopulationen von 2024 nicht berücksichtigt worden sind und eine Darlegung ausreichend vorhandener Ausweichquartiere und deren Nutzbarkeit fehlen. Die bisher umgesetzten eingriffsvermeidenden Maßnahmen sind noch nicht funktional und somit nicht anerkennbar und befinden sich zum Teil unzulässig auf privaten Flächen Dritter.
Eine artenschutzrechtliche Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind. Mit dem Entwurf des bezirklichen Bebauungsplans 3-88B, der eine an die Umgebung angepasste Bebauung vorsieht und artenschutzrechtliche Eingriffe überwiegend verhindert, ist aber eine in diesem Einzelfall zumutbare Alternative gegeben.
Es liegt kein öffentliches Interesse vor, da sowohl Baugenehmigung, als auch Baumfällgenehmigung bereits erloschen sind. Ein zwingender Grund für das Bauvorhaben liegt aufgrund der hohen Anzahl leerstehender Plätze für Geflüchtete nicht vor.
Zitate
Britta Krehl, Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow: „Der bezirkliche Planungsentwurf ist die Lösung, um Wohnungsbau, Natur-, Arten- und Klimaschutz, Demokratie und Bürgerbeteiligung unter einen Hut zu bringen. Er muss umgesetzt werden.“
Dirk Schäuble, Referent für Naturschutz BUND Berlin: „Es ist bestürzend, in welchem Ausmaß auch nach Jahren intensiver rechtlicher Auseinandersetzungen zum Natur- und Artenschutz geschludert und gehudelt wird. Offenbar wird dem Erhalt der Natur und damit der Lebensgrundlagen der Menschen weiterhin nur ein geringer Stellenwert eingeräumt.“
Uwe Hiksch, NaturFreunde Berlin, AG Artenschutz der NaturFreunde: „Die artenschutzrechtliche Ausnahme des Bezirksamte Pankow ist falsch und nicht akzeptabel. Die Vorschläge, Einwendungen und fachlichen Gutachten sind in keiner Weise berücksichtigt wurden. Die Bauherren haben die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen nicht umgesetzt und damit ist eine Genehmigung des Baus nicht möglich. Die NaturFreunde erwarten vom Bezirksamt Pankow, dass sie keine artenschutzrechtliche Ausnahme für den Bau der geplanten Häuser erteilt.“
Ausführlichere Erläuterungen
Die Voraussetzungen der Erteilung einer artenschutzrechtlichen Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG liegen nicht vor. Der Bescheid verstößt gegen § 45 Abs. 7 BNatSchG, weil er ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen erteilt wurde.
Die Verwendung aller aktuellen Erkenntnisse hinsichtlich der Artenvorkommen ist verweigert worden. Im Bescheid ist ausgeführt, dass die Kartierungen 2024 seien nicht berücksichtigt worden seien. Der Bescheid beruhe auf dem Kenntnisstand 2023. Eine Begründung wird nicht angeführt.
Für eine nachvollziehbare Begründung wären eine Darlegung ausreichend vorhandener Ausweichquartiere und vor allem deren Nutzbarkeit erforderlich. Sind die Ausweichquartiere bereits besetzt, so sind sie zum Ausweichen für weitere konkurrierende Vögel nicht geeignet. In der Regel sind aber die in Berlin vorhandenen potentiellen Ausweichquartiere bereits von anderen konkurrierenden Vögeln genutzt.
Die Umweltverbände hatten darauf hingewiesen, dass bereits ergriffene, vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen bisher nicht funktional und somit aktuell nicht anerkennbar sind. Dieser Umstand wird im Bescheid ignoriert. Im Gegenteil, teilweise wurden bereits ergriffene Ausgleichsmaßnahmen wieder außer Funktion genommen – Fledermaus-Nistkästen verschlossen oder wieder entfernt.
Nach § 45 Abs. 7 S.2 BNatSchG darf eine Ausnahme nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind. Mit dem Entwurf eines bezirklichen Bebauungsplans, der eine an die Umgebung angepasste Bebauung vorsah, war aber eine in diesem Einzelfall zumutbare Alternative gegeben. Das wird im Bescheid verkannt. Mit falschen pauschalierten Annahmen und ohne die zwingend erforderliche umfassende Abwägung wird davon ausgegangen, dass es keine zumutbare Alternative gäbe.
Dem Bescheid fehlt die nach § 45 Abs. 7 BNatSchG erforderliche spezifisch artenschutzrechtliche Abwägung. Bei der Prüfung, ob zwingende Gründe des überwiegend öffentlichen Interesses die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung rechtfertigen, sind die für das Vorhaben sprechenden Belange den vorhabenbedingten Beeinträchtigungen geschützter Arten gegenüber zu stellen.
Im Bescheid fehlt aber eine nachvollziehbare Ermittlung und Gewichtung der betroffenen Artenschutzbelange in qualitativer wie quantitativer Hinsicht ebenso wie eine Ermittlung und Gewichtung der für das Vorhaben streitenden Belange sowie schließlich die Gegenüberstellung und der abwägungsgerechte Ausgleich.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hat der GESOBAU AG unter dem 28.2.2023 die Baugenehmigung für den o.g. Neubau erteilt. Die Baugenehmigung erlischt nach § 73 Abs. 1 BauO Bln, wenn nicht innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Erteilung mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen wurde. Hier wurde aber lediglich mit vorbereitenden Arbeiten begonnen.
Mit Bescheid vom 2.2.2023 hat das Bezirksamt Pankow von Berlin eine Ausnahmegenehmigung nach der Berliner Baumschutzverordnung für das Vorhaben erteilt. Die Ausnahme erlischt, wenn nicht innerhalb eines Jahres gefällt wurde, § 5 Abs. 3 BaumschutzVO.
Der Regierende Bürgermeister geht aktuell von 6.000 freien Betten für Geflüchtete in Berlin aus. Ein gegenläufiger Trend ist in absehbarer Zeit nicht konkret zu erwarten. Es fehlt daher an „zwingenden Gründen“ und einem „Überwiegen“ des öffentlichen Interesses am Schaffen neuer Unterkünfte für Geflüchtete jedenfalls solange, wie eine Auslastung bereits vorhandener Kapazitäten nicht konkret vorhersehbar ist.
https://www.bund-berlin.de/service/presse/detail/news/artenschutz-bescheid-fuer-pankower-gesobau-projekt-rechtswidrig/