Kick Off Runder Tisch „KIEZ MACHT KLIMA UND INTEGRIERT!“ am Freitag, 20.10.2023 im Gemeindesaal der Kirche Alt-Pankow

Berlin Pankow, 20. Oktober 2023


Auftaktsitzung Pankower Runder Tisch KIEZ MACHT KLIMA!
Neue Impulse und solidarisches Miteinander. Gesprächsangebot steht.

Der Kiez am Pankower Schlosspark befindet sich im Ausnahmezustand: Hinter Bauzäunen patrouilliert der Wachschutz, die Stimmung unter den Anwohnenden ist bedrückt, die Zeit zur Rettung der Bäume drängt. In den Höfen der Kavalierstraße will die Gesobau AG für ein Nachverdichtungsprojekt 66 Bäume fällen, insgesamt sind bis zu 102 Bäume bedroht. Grünflächen und der Berg-Spielplatz, der auch von sechs Kinderläden genutzt wird, sollen größtenteils versiegelten Flächen weichen.

Initiiert von Anwohnenden, Künstlern, Pankowern und der Initiative „Grüner Kiez Pankow“ kamen am Freitag Betroffene und Interessierte im Gemeindesaal der Kirche Alt-Pankow zum ersten Runden Tisch KIEZ MACHT KLIMA! zusammen.

„Das Bauprojekt steuert auf eine klimatische Niederlage für alle zu. Die grüne, gewachsene Infrastruktur der Höfe an der Ossietzkystraße steht für genau das, was die Stadt Berlin sich als Möchtegern-„Schwammstadt“ auf die Fahnen schreibt. Diese jetzt vernichten zu wollen untergräbt alle Bemühungen um Klimaresilienz.“ sagt Dr. Grit Bürgow am Runden Tisch. Die Stadt- und Landschaftsgestalterin ist selbst Pankowerin und hatte vergangenen Sonntag gemeinsam mit anderen Beteiligten aus der Wissenschaft für den Erhalt des Baumbestands im Kiez demonstriert. „Jeder Baum zählt.“, sagt sie.

Britta Krehl, Sprecherin von „Grüner Kiez Pankow“ ergänzt: „Wir wehren uns nicht gegen eine Bebauung per se. Sondern gegen die nicht nachhaltige Zerstörung von Lebensraum. So vorzugehen, wie die Gesobau AG es plant, das hat keinerlei soziale Grundlage und keine Zukunftschancen.“

Das befand 2021 auch die Bezirksverwaltung und erarbeitete einen alternativen Bebauungsplan, kurz B-Plan. Er sieht eine moderate Bebauung mit 50-60 WE, den Erhalt des Spielplatzes und eines Großteils der Bäume und Grünflächen vor. Die Gesobau lehnte die Alternative als „unwirtschaftlich“ ab und zog zu Jahresbeginn ein Ass aus dem Ärmel: Über die Hintertür des Sonderbaurechts wurde das alte Bauprojekt, umetikettiert als Unterkunft für Geflüchtete, direkt vom Senat genehmigt. Nun sollen für das 2020 durch den Bezirk nicht genehmigte Bauvorhaben doch noch die Bagger anrollen und die Bäume gefällt werden. Ohne Mitsprache des Bezirks und ohne Beteiligung der Anwohnerschaft.

Die Initiative kritisiert, dass es keine Kommunikation mit der Anwohnerschaft gibt – weder von Seiten der Gesobau AG, noch von Seiten des Senats. Die Gesobau legitimiert dies mit Verweis auf den „Beteiligungsprozess“ von 2019/ 2020, der aus Sicht der Bürgerinitiative desaströs gescheitert war. Alle Änderungsvorschläge an den überdimensionierten Baukörpern wurden kategorisch durch das Unternehmen abgelehnt. Die L-förmigen Baukörper, die die Gesobau AG jetzt verwirklichen will, seien von der Anwohnerschaft ausgewählt worden, sagt das Unternehmen. Dabei demonstrierte die überwiegende Mehrheit der 600-800 Anwohner gegen alle Bauvarianten, während ca. 10 Personen ihre Stimme für eine von drei Bauvarianten abgab.

Beim 1. Runden Tisch KIEZ MACHT KLIMA! im Gemeindesaal herrscht Einigkeit: Die Anwohnenden wollen alle neuen Menschen, die künftig in den Kiez ziehen, willkommen heißen und auch die Integration von Geflüchteten nach Kräften unterstützen. Wie das aber erfolgreich gehen soll, wenn Grünflächen, Spielplatz und die bisherige soziale Infrastruktur fehlen, ist vielen ein Rätsel.

Die geladenen Gäste von Gesobau und Politik bleiben an diesem Freitag eine Antwort schuldig: Sie fehlen zur Auftaktsitzung des Runden Tischs. Doch die übrigen Stühle füllen sich rasch. Die Situation im – noch – Grünen Kiez erregt überregional Aufmerksamkeit, das Vorgehen der Wohnungsbaugesellschaft erntet Kopfschütteln.

Auch das Bündnis um die Bürgerinitiative wächst. Seit vier Jahren kämpft sie für eine alternative, schonende Bebauung. Es wurden Plakate entworfen, regelmäßig Konzerte veranstaltet, Prominenz kam, Solidaritätsbekundungen von vielen Seiten. Gregor Gysi sprach, die Baumpat*innen, darunter Schauspielerin Jasmin Tabatabai, wandten sich in einem offenen Brief an den Senat.

„Wir kämpfen friedlich und ausdauernd für die sinnvolle Kompromisslösung des B-Plans“, sagt Britta Krehl und betont „Der Glaube daran, dass die Vernunft am Ende siegen wird, ist unser Antrieb. Über den Runden Tisch signalisieren wir weiterhin Gesprächsbereitschaft – untereinander, mit Politik, Wohnungsbauunternehmen und Öffentlichkeit.“

Nächster Termin des Runden Tisches ist der 08. November 2023 – um 9.00 Uhr im Gemeindesaal der evangelischen Kirche Alt-Pankow, Breite Straße 38, 13187 Berlin

Eins steht fest: Ohne Bäume wird es laut werden, zwischen den Hauswänden. Und im Sommer schier unerträglich heiß. Noch ruhen Bagger und Kettensägen. Die Baumfällungen wurden in einem Eilantrag gestoppt – es gibt artenschutzrechtliche Bedenken; die Prüfung läuft. Ein kleiner Erfolg, doch die Uhr tickt.

Ein Anwohner erzählt, dass er jeden Abend mit seinen Töchtern zum Bauzaun spaziert, dorthin, wo sie nun nicht mehr spielen können. Mit einer Kerze setzen sie ein kleines Zeichen der Hoffnung. Doch nicht nur die Kinder im Kiez befürchten, dass es jeden Tag losgehen kann und die Kettensägen den Bäumen zu Leibe zu rücken.

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