Mehr als schlechter Stil
Ein Kommentar der Mitglieder der Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow und des Pankower Runden Tisches KIEZ MACHT KLIMA UND INTEGRIERT! zum Artikel in der Berliner Morgenpost vom 28.01.2024 „Wie der Bausenator widerspenstige Bezirke in die Spur bringt“ von Isabell Jürgens
Wie kommen wir GEMEINSAM „in die Spur“, Herr Gaebler? Ein Vorschlag, um konstruktiv ins Gespräch zu kommen, statt verächtlich über uns zu reden
Mit Erstaunen, Erschüttern, aber zugegebenermaßen auch mit einer Prise Galgenhumor haben wir Ihr Interview in der Berliner Morgenpost vom 28.01.2024 gelesen. Ihren Rundumschlag gegen die bewährten Praktiken Berliner Planungs- und Beteiligungskultur ernst zu nehmen, fiel uns im ersten Moment wirklich schwer. Wir bezweifeln aber keinesfalls den Tatendrang hinter Ihren Aussagen und treten ihnen deshalb entschieden entgegen.
Wir fragen uns: Warum sprechen Sie den gleichermaßen engagierten Bürgerinnen und fachlichen Experten in demokratisch legitimierten Verwaltungen, Praktikerinnen und Initiativen auf dem Gebiet der integrierten, gemeinwohlorientierten und nachhaltigen Stadtentwicklung die Kompetenzen ab und diffamieren sie persönlich? Ein vergifteter Tonfall bringt erfahrungsgemäß weder beschleunigte Prozesse noch fachlich gute Ergebnisse.
Unbegreiflich sind uns zunächst Ihre Spitzen gegen die Berliner Fachämter – insbesondere gegen die Bezirksbehörden. Mit einem Minimum an Personal müssen deren Beschäftigte ihren gesetzlichen Aufgaben gerecht werden. Die Vorwürfe, dort würden „Steckenpferde“ ausgeübt oder die Behörden würden gar verlangen, was „gar nicht vorgeschrieben sei“ (also Rechtsbruch begehen) grenzen an Verleumdung. Es ist unschön zu sehen, wie in Zeiten ohnehin abnehmendem Vertrauens in staatliche Handlungsfähigkeit ausgerechnet ein Senator die Verwaltung verächtlich macht. Warum bringen Sie – als oberster Chef des Berliner Denkmalschutzes – „Ihre Leute“ öffentlich in Verruf? Wie können Sie in Zeiten des „Klimanotstands Berlins“ ausgerechnet die Bedeutung der Umweltverwaltungen verkennen?
Das ist mehr als schlechter Stil. „Bauen, bauen, bauen“ ohne Berücksichtigung der fachlich anerkannten Notwendigkeiten klimaangepasster, integrierter Stadtentwicklung grenzt an Selbstaufgabe. Wir haben den Eindruck, dass Sie für Berlin als Motto und Referenzrahmen der Stadtentwicklung ausgeben: „Zurück in die Zukunft der 1970er bis 1980er Jahre: Wir klotzen, holzen ab – komme, was wolle, nach uns die Sintflut“. Das ist nicht vernünftig und zukunftsfähig!
Wir fragen uns: Warum beauftragt und veröffentlicht der Berliner Senat seit Jahren Gutachten, Ideenwettbewerbe, Strategien und Stadtentwicklungspläne zu den Themen Klima, Mitgestaltung und Partizipation im Wohnungsbau, in der Stadtlandschaftsentwicklung etc., um die wertvollen, mit viel Expertise entwickelten Werke und Erkenntnisse dann blind Beschleunigungsprogrammen zu opfern?
Dass die Bewältigung der Wohnungskrise nicht ohne integriertes Konzept zur Berücksichtigung sozialer Belange und Klimaschutz bzw. -anpassung vonstatten gehen darf, hat gerade ein breites Bündnis von Fachverbänden in einer Kritik zum „Bau-Turbo“ auf Bundesebene dringlich herausgestellt (https://mieterbund.de/aktuelles/meldungen/appell-gegen-die-einfuehrung-des-bau-turbo-%C2%A7-246e-baugesetzbuch/; Zugriff am 31.1.24). Nehmen Sie auch auf Berliner Ebene die Stimmen aus der Fachwelt war!
Ihr Interview macht zuletzt klar: Sie wollen nicht nur „widerspenstige Bezirke“, sondern offensichtlich auch die Berliner Bevölkerung in die Spur bringen. Den Volksentscheid zum Tempelhofer Feld zu übergehen, wäre Gift für das Demokratievertrauen in Berlin! Aber auch eine allgemeine Zurückdrängung und Verächtlichmachung von Bürgerbeteiligung hinterlässt dieselben Effekte – ein allgemeines Ohnmachtsgefühl, das radikalen politischen Positionen Vortrieb leistet.
Als engagierte Bürger aus dem von Ihnen exemplarisch angefeindeten Kiez an der Kavalierstraße in Pankow möchten wir eine persönliche Perspektive ergänzen: Nicht unser Engagement und nicht der „Klimabebauungsplan“, hinter dem Bezirk, Anwohnerschaft und ein breites Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Akteurinnen stehen, verzögern und verkomplizieren. Es ist der Stursinn, mit der der Senat und sein landeseigenes Unternehmen Gesobau AG ihre Maximalbauvarianten durchboxen wollen, der in den vergangenen – mittlerweile fast 5 – Jahren zu einer beispiellosen Energie- und Ressourcenverschwendung führt und große Frustration hinterlässt. Erneut greifen Sie uns Bürger in Ihrem Interview nun persönlich an und bezichtigen uns der Lüge. Diese Unterstellung weisen wir zurück: Wir arbeiten fundiert, entnehmen unsere Daten behördlichen Auskünften und Planungsunterlagen der Gesobau AG. Wir sind nicht auf Verhinderung und Verzögerung, sondern auf die zügige Rückkehr zum kompromissorientierten B-Plan-Verfahren aus. Wir bringen unsere Freizeit ein, um unser Mietwohngebiet für alle – Alteingesessene und künftige Bewohnerinnen – sinnvoll zu gestalten.
Wir fragen uns: Warum erkennen Sie nicht die Stärke bürgerschaftlichen Engagements an und nutzen Sie?
Wir schätzen uns glücklich, dass wir in einem Gemeinwesen leben, in dem nicht einzelne Politiker in ausgestorben geglaubter Gutsherrenmanier mit einem „Schluss jetzt!“ auf den Tisch hauen und die Meinung von Fachbehörden oder Bürgern negieren können.
Wir kämpfen für eine lebenswerte, nachhaltige Stadt und sind uns sicher, dass auch Sie sich dieser Idee verpflichtet fühlen und sich der Bedeutung eines Zusammenwirkens aller Berliner Planungsebenen und -ressorts mit Verbänden und der Zivilgesellschaft bewusst sind. Wir fordern Sie deshalb auf, Ihre konfrontativen Ansätze dringend zu überdenken.
Mit Blick auf unser Wohngebiet laden wir Sie herzlich zum nächsten Runden Tisch „Kiez macht Klima und integriert!“ ein. Suchen Sie gemeinsam mit Fachverbänden, Bezirk und uns Bürgerinnen und Bürgern den Austausch auf Augenhöhe, um den konkreten Konflikt zu entschärfen und zügig eine Lösung zu finden, die allen gerecht wird. Lassen Sie uns das GEMEINSAM auf den Weg bringen!
Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow und Pankower Runder Tisch „Kiez macht Klima und integriert!“