„Wir wollen die Scheidung!“: Pressekonferenz des Grünen Kiez Pankow am 04. 06. 2024

Berlin Pankow, den 04. Juni 2024


PRESSEMITTEILUNG der Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow,
des Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung zum
Pressegespräch am Dienstag, dem 04. Juni 2024 um 10 Uhr,
Gemeindesaal der Evangelischen Kirchengemeinde Alt-Pankow, Breite Straße 38, 13187 Berlin,


Ausgesperrte Mieter, Verschwendung von Mietgeldern, Klagen der Umweltverbände, Call to Action – Gesobau AG und Senator Gaebler doch noch dialogbereit für eine zeitnahe Lösung?


Seit der ersten öffentlichen Bekanntgabe des Gesobau-Vorhabens 2019 sind 5 Jahre ins Land
gegangen und seit Verabschiedung des Aufstellungsbeschlusses für den B-Plan vergingen 3 Jahre,
in denen im Grünen Kiez keine einzige Wohneinheit neu entstanden ist.


Schlimmer noch: Seit 8 Monaten sind die völlig intakten Wohngrünflächen komplett mit
Bauzäunen abgesperrt. Drei Männer vom Wachschutz sind im Auftrag der Gesobau abgestellt, um
den Bauzaun zu schützen. Die Kosten dafür belaufen sich mittlerweile auf ca. 700.000 € (eigene
Berechnung).


Die Anwohner bleiben ausgesperrt, das im Viertel sozial und kulturell gewachsene Miteinander ist
nicht mehr möglich. Den Kiezkindern und den Kindern in den sechs anliegenden Kinderläden fehlt
der Spielplatz im Südhof für Bewegung und Toben an der frischen Luft. Die vielen alten Leute der
Wohnanlage schauen auf den Bauzaun, statt sich im schattigen Nordhof erholen zu können.


Weder Senat, noch Gesobau oder Berlins Reg. Bürgermeister Wegner zeigten sich bis dato
gesprächsbereit – die Einladungen zu unseren 5 Runden Tischen seit Oktober 2023 wurden
ausgeschlagen. Eine Übergabe der insgesamt ca. 8.000 Unterschriften unserer zwei Petitionen an
Herrn Wegner wurde abgelehnt.


Unsere Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow ringt unermüdlich für eine qualitätvolle Planung und
hat mit vielen Konzerten und Zusammenkünften in der Corona-Zeit und danach unter Beweis
gestellt, was soziales Miteinander und Engagement für das Gemeinwohl bedeuten.


In Folge des seit Wochen im Bezirksamt Pankow laufenden artenschutzrechtlichen
Ausnahmeverfahrens und eines vorhergehenden Sieges beim Oberlandesgericht durften die
Rodungen bisher nicht vollzogen werden.


Am 15.05.2024 fand zusammen mit engagierten Fachleuten und betroffenen Anwohnerinnen und
Anwohnern die erste Zukunftswerkstatt „Grüner Kiez Pankow 2030“ statt, bei der wir begonnen
haben, den bezirklichen B-Plan-Entwurf mit Leben zu füllen. Erste Ideen reichen von zirkulären
Baustoffen über betriebskostensenkende Wasserkreislauf- und Energiekonzepte bis hin zu
seriellem Holzbau mit flexiblen Grundrissen und der Schaffung von tierfreundlichen Gebäuden und
Freiflächen, entwickelt für eine umweltgerechte Nachverdichtung.


Wir akzeptieren nicht, dass uns die Nutzung unserer Wohngrünflächen weiterhin verwehrt bleibt!
Wir akzeptieren nicht, dass dutzende von Bäumen gefällt und unsere klimaschützenden,
artenreichen und erholsamen Grünflächen zerstört und in Beton gegossen werden sollen, trotz des
2019 in Pankow ausgerufenen Klimanotstandes.


Wir wollen, dass die in einem langen demokratischen Prozess mit dem Bezirk Pankow
ausgehandelte Bebauungsalternative als Grundlage für eine Weiterentwicklung unseres Viertels
dient. Wir wollen eine Lösung finden, die schnell Wohnraum schafft und eine zeitgemäße,
ökologische und soziale Zukunft für den Grünen Kiez bietet.


Wir fragen uns: Wer macht mit, gemeinsam unser Quartier nachhaltig und lebensfreundlich für
langjährige und neue Bewohner zu gestalten?


Inspiriert vom Pankower Tuntenhaus, das von einer Stiftung gekauft und von einer Genossenschaft
saniert werden soll, rufen wir zu einem Call-to-Action auf! Wir suchen für unser Vorhaben
Verbündete wie Genossenschaften oder Stiftungen
, die sich am landeseigenen Gesobau-Quartier
beteiligen und die Ideen des B-Plans mit uns gemeinsam ökologisch, sozial und partizipativ
umsetzen möchten.


Wir fordern deshalb mit Nachdruck vom Senat, dass unsere Bedürfnisse gehört und das lokale
Wissen der Anwohner, der Bezirkspolitiker und der Mitarbeiter des Bezirksamtes ernst genommen
wird!


Wir fordern die Festsetzung des Klima- B-Planes 3-88B, der vom Bezirk Pankow in einem
demokratischen Verfahren beschlossen und dessen Aufstellungsbeschluss am 7.5.2021 im
Amtsblatt von Berlin veröffentlicht wurde!


Wir wollen hier im Grünen Kiez Pankow einen Modellkiez schaffen, der als Präzedenzfall für ganz
Berlin beispielhaft sein soll. Mit einer moderaten Bebauung, dem Erhalt des Spielplatzes und
einem angemessenen, zukunftsfähigen Umgang mit dem alten Baumbestand sollen die
Grünflächen auch weiterhin – im Sinne von Klimaanpassung, Biodiversität und gesunden Wohnund
Lebensbedingungen – wichtige soziale Begegnungsflächen für die Menschen in unserem
Viertel und in ganz Berlin bieten.


Zitate:


„Wir fordern eine gemeinsame, nachhaltige und weniger zerstörerische Weiterentwicklung des
Grünen Kiez Pankow, die eine Schaffung von Wohnraum ermöglicht und die Lebensbedingungen
der Bestandsbewohner nicht um 100% verschlechtert!“
Britta Krehl, Anwohnerin, Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow


„Der Bezirk Pankow ist weiterhin der Überzeugung, dass eine schonende Nachverdichtung in
klimaneutraler Bauweise mit Erhalt des Baumbestands sowie der Grün- und Spielflächen vor Ort
möglich ist. Ich stehe daher jederzeit für konstruktive Gespräche bereit und hoffe sehr,
Senatsverwaltung und Gesobau dazu bewegen zu können, sich dafür mit der Initiative und uns als
Bezirk an einen Tisch zu setzen.“
Cornelius Bechtler, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung und Bürgerdienste Pankow


„Beton ist kein schützenswertes Naturgut, das scheint man in der SPD-Führungsspitze der
Senatsbauverwaltung nicht zu wissen. Mitten in einem der größten Artensterben der
Erdgeschichte ohne Rücksicht Bauen und Versiegeln zu wollen, ist unverantwortlich. Gerade Städte
haben sich als Rückzugsraum für viele bedrohte Pflanzen und Tiere entwickelt, umso behutsamer
muss man mit den dort noch verbliebenen Ressourcen umgehen.“
Dirk Schäuble, Referent für Stadtnatur und Artenschutz, BUND Berlin e.V.


„Wir fordern Senat und Gesobau auf, einen neuen und ergebnisoffenen Dialog mit den
Anwohnenden zu beginnen; dieser hätte im Rahmen des vor einigen Jahren zwischen Senat und
Landeseigenen Wohnungsunternehmen ausgehandelten Trialog-Verfahrens längst erneut
stattfinden müssen – und zwar, bevor der Senat das Verfahren durch Sonderbaurecht an sich zog.
Es ist kaum zu glauben, dass ein Landeswohnungsunternehmen ihre Mieterinnen und Mieter
monatelang mit teurem Wachschutz einschüchtert, statt mit offenen Karten in den Diskurs zu
gehen. Mieterinnen und Mieter und ihren Einsatz für ein lebenswertes Wohnumfeld sowie für den
Klima- sowie Naturschutz gegen die berechtigten Interessen von wohnungssuchenden
Geflüchteten auszuspielen, kann leicht Beifall von der falschen Seite erzeugen. Wie so oft, geht es
den Anwohnenden gar nicht darum, jegliche Bebauung zu verhindern, sondern maßvoller zu
bauen und vor allem in die Planung eingebunden zu werden. Dass auch der Bezirk Pankow eine
maßvollere Bebauung fordert, sollte der Gesobau und dem Senat zu denken geben.“
Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Berliner Mieterverein e.V.

“Senatsverwaltung und die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sind im Prozess des
nachverdichtenden Wohnungsbaus keine zuverlässigen Partner der betroffenen Bestandsmieter.
Im Gegenteil, sie behandeln die Mieterinnen und Mieter, die oft jahrzehntelang dort wohnen, als
Feinde. Jede Kommunikation, jede Verhandlung um einen gemeinsam ausgetragenen Kompromiss
wird barsch ausgeschlagen. Die Bürgerinitiativen im Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung
fordern daher einen grundsätzlichen politischen Kurswechsel: Die Wohnungspolitik des Landes
Berlin muss endlich sozial und demokratisch werden. Nur dann kann ein gemeinsamer Weg
gelingen.”
Axel Matthies, Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung
(BI Grüne Höfe Hellersdorf Süd)


„Auf dem Weg zur Klimaneutralität sollen die klimaschädlichen CO2-Emissionen bis 2030 um
mindestens 70 Prozent und bis 2040 um mindestens 90 Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr
1990 sinken. Mit diesen im EWG Bln (Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz) festgelegten
Klimaschutzzielen will Berlin seinen Beitrag zur Umsetzung des Klimaschutzabkommens von Paris
leisten. Im Koalitionsvertrag steht: Wir streben eine „Netto-Null-Versiegelung“ an. Hier macht sich
ein Bezirk auf, vorbildlich mit einem Klimaschutzkonzept voranzugehen und dieses in Einklang mit
dem Bedarf neuen Wohnraums zu bringen, aber der Senat zieht das Verfahren an sich, um alle
integralen Bemühungen zu konterkarieren. Das ist weder ökologisch noch sozial ausgewogen.“
Theresa Keilhacker, Architektin, Bündnis Klimastadt Berlin 2030

“Wir möchten in einer breiten Allianz engagierter Initiativen die stadtweite Diskussion beflügeln,
wie eine zukunftsfreundliche Nachverdichtung im Bestand mit den Menschen vor Ort gelingen
kann. Statt „grauer Architektur” auf ehemals grünen Oasen möchten wir einen positiven
Präzedenzfall in Zeiten des “Schneller Bauen” gestalten. Wie schon die EWG Pankow e.G. mit dem
BBU-Zukunftsaward 2020 im Bezirk vorgelegt hat, wollen auch wir zeigen, wie die “zweite Miete”
über Wasser- und Energiekreisläufe im Gebäude und partizipative bewirtschaftete blau-grüne
Infrastrukturen im Freiraum Betriebskosten senken und viele Mehrwerte für alle Bewohner
generieren kann.”
Grit Bürgow, Stadt- und Landschaftsgestalterin, Runder Tisch “Kiez macht Klima und integriert!”,
Berlin-Pankow


“Flächenfraß und Neubau schaffen keinen günstigen Wohnraum und sind vor dem Hintergrund der
Klimakrise nicht zu rechtfertigen. Bevor wir neu bauen, müssen wir den Bestand nutzen: In Berlin
stehen allein 1.000.000 m² Büroflächen leer – Tendenz steigend. Für den Grünen Kiez Pankow sind
perspektivisch eine Aufstockung und der Ausbau von Dachgeschossen unter Verwendung von
biobasierten Materialien denkbar. Mit unserer Volksinitiative zur Bauwende stehen wir von
Klimaneustart voll hinter den Forderungen von Grüner Kiez Pankow.”
Gerrit Naber für Klimaneustart

“Die Sicherung von Biologischer Vielfalt im Wohnumfeld muss aktiv vorangebracht werden.
Naturerfahrungen in der Kindheit helfen, ein Umweltbewusstsein zu entwickeln. Aktuelle Studien
zeigen, dass sich das Erleben von Vögeln im Alltag positiv auf das menschliche Wohlbefinden
auswirkt. Die Naturfreunde Berlin setzen sich für eine aktive Einbindung von Artenschutz in
Nachverdichtungsprozesse ein, denn Umweltgerechtigkeit geht verloren, wenn Stadtbewohner nur
selten mit der Natur außerhalb der Stadt in Kontakt kommen können, aber gleichzeitig die
Stadtnatur verloren geht. Es braucht ein Umdenken im Städtebau. Die frühzeitige Beachtung des
gesetzlichen Artenschutzes in der Planungsphase muss aktiv vorangebracht werden. Gleichzeitig ist
das Konzept Animal Aided Design als „tierunterstützende Gestaltung“ und Ziel der Berliner
Biodiversitätsstrategie umzusetzen.”
Caroline Seige, AG Artenschutz NaturFreunde Berlin


„Die Umsetzung des Gesobau-Vorhabens würde in beiden Höfen zu einem massiven bis totalen
Revierverlust von 21 europäisch streng geschützten Singvogelarten führen.
Die derzeit durchgeführten CEF-Pflanzungen können diese Revierverluste nicht ausgleichen. Durch
die Verortung und die noch nicht vorhande Habitatfähigkeit werden die Bedürfnisse der einzelnen
Arten bezüglich der Lebensraumausstattung noch nicht erfüllt. Rodungen sind deshalb auch nach
den abgeschlossenen Pflanzungen immer noch nicht rechtskonform.
Eine Gegenüberstellung der Revierzerstörungen von Gesobau-Vorhaben und B-Plan verdeutlicht,
dass der B-Plan die meisten Reviere nur teilweise berührt und somit eine erhebliche Abmilderung
der Auswirkungen auf die betroffenen Arten darstellt. Der B-Plan als Alternative zum
Gesobau-Vorhaben stellt eine zumutbare Lösung für zügiges, sozialverträgliches, artenschutz-und
tierfreundliches, klimaschützendes und integratives Bauen dar.“
Angela Laich, AG Artenschutz NaturFreunde Berlin


„Das Bezirksamt Pankow müsse zügig eine politische Entscheidung zugunsten des vom Bezirksamt
und Anwohnenden gemeinsam entwickelten alternativen Bebauungsplan treffen. Das geplante
Bauvorhaben der Unterkünfte für geflüchtete Menschen ist bei Umsetzung des Bebauungsplan mit
weitaus geringeren Eingriffen in die Natur der grünen Innenhöfe im Kiez realisierbar als die
bisherige Planung und nimmt das Minimierungsgebot des Berliner Naturschutzgesetzes ernst.“
Manfred Schubert, Geschäftsführer Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz

Illustration: Christian Badel


Der Pankower Zeichner Christian Badel hat die Umsetzung des B-Plan-Kompromisses gezeichnet.
Im Nordhof sehen wir die Bestandsgebäude links und im Hintergrund. Davor befinden sich der
Neubauriegel und viele, erhalten gebliebene, alte Bäume. Auf unserer Konzertwiese treffen sich
Jung und Alt, alte und neue Bewohner beim Klimakonzert.

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